Lippische Rose

 Auswanderung Lippe-USA 

Naturwissenschaftlicher und Historischer Verein für das Land Lippe e.V.

Sternenbanner

Personenstandsarchiv Detmold D72 Nachlaß Petri Nr. 11 Auswandererbriefe
Das transatlantische Lippe. Schicksale und Verhältnisse der nach Nordamerika ausgewanderten Lipper.
Abschrift Simone Quadfasel

Brief 10

Texas, den 6ten Januar 1847.

Lieben Vater, Mutter und Geschwister! Viele tausend Grüße von Euren lieben Kindern aus Texas. Mit großem Verlangen habt Ihr gewiß schon lange auf unser Schreiben gewartet; es wollte aber nicht eher gehen. Jetzt wollen wir wünschen; daß wir Euch alle gesund mit unserm Schreiben antreffen. Wenn Euch unser Brief noch in Deutschland trifft, so wollt Ihr gewiß gern wissen, wie es um uns steht. Unsern Zustand bis Indian-Point werdet Ihr gewiß aus unserm Briefe vom 12 Mai mal gelesen haben. Nun will ich Euch weiter benachrichtigen. Indian-Point ist der letzte Ausschiffungsort. Hier hatten wir keine Lust, lange zu bleiben, und keine Aussichten, den ganzen Sommer vom Verein in die Colonie geschafft werden zu können. Doch der liebe Gott hat immer noch geheime Wege. So kamen wir denn bei einem guten Freund, mit Namen Hörmann aus Herkendorf. Dieser erzählte uns denn, daß ein Farmer 200 Acker Land an 4 Familien verschenken wolle, und jeder Familie eine Kuh auf ein Jahr zur Milch. Hier hatten wir Lust dazu; so machten denn unser vier Familien gleich dahin, nämlich Hermann aus Herkendorf, Schullehrer Meier von der Fuhler Heide, Rabke aus Hohnsen im Hannoverschen, und ich. Hier fanden wird’s den alle recht gut. Erstens, gutes gesundes Wasser, sehr gutes Land, Holz reichlich. Vier Stunden Weges aber keinen Nachbar. Dieser Farmer, mit Namen York, hat uns deshalb das ganze Land geschenkt, weil er 45.000 Acker Land hat, und will gern an die Deutschen Land verkaufen. So haben wir denn jetzt schon vier neue Familien zu Nachbarn bekommen, welche aus Schwarzburg sind, und haben sich neben unserm 200 Acker gekauft, den Acker zum Dollar. Es sind alle sehr freundschaftliche Leute. Liebe Eltern, es freut uns herzlich, daß wir Deutschland verlassen haben, und sind der neuen Heimath zugeeilt. Es gefällt und hier sehr gut. Wir haben 3 Kühe und drei Kälber, und eine von unserm Farmer zur Milch, das sind vier Stück, welche reichliche Milch geben; acht Hühner, einen Hahn, eine Sau mit sechs Jungen. Das ist unser Vieh. Korn oder Mais haben wir bis zu der Ernte reichlich. An Fleisch fehlt es uns keinen Tag. Wilde Gänse und Enten sind hier überhäuft. Hirsche gehen hier bei 50-100 im Trupp. Fische reichlich. Wir wünschen uns nichts mehr, als unsern lieben Eltern und Schwiegereltern, Geschwistern und Freunde, und alle guten Bekannten möchten bei uns sein. Wenns möglich ist, so macht Euch doch bald auf die Reise. Hier könnt Ihr Eure Tage oder Jahre weit bequemer zu bringen. Liebe Eltern und Schwiegereltern, wenn Ihr Deutschland denn nicht verlassen könnt, oder wollt, so schickt uns von unsern Geschwistern. Liebe Väter und Mütter, wenn Ihr aber kommt, welches wir sicher hoffen, so bringt doch mit etwas Roggen und Weizen, weil das hier schon geerntet ist in Texas, etwas Gerste, auch Leinsamen, etwas Kartoffeln. Verseht Euch reichlich mit Gartensämereien, nämlich weißen und braunen Kohlsamen, von aller Art etwas. Die deutschen Vietsbohnen wachsen hier nicht. Was hier am meisten gebauet wird, ist Mais, Kartoffeln, Vietsbohnen, Melonen, welche dem deutschen Obste ähnlich schmäcken. Es wächst hier auch Baumwolle und Taback, und aller Art Gartenfrüchte. Lieber Schwiegervater, bringt Euch einen kleinen Wagen mit, und das Eisen zum Pfluge, weil die Schmiedesachen hier sehr theuer sind. Bringt mir auch ein Brenneisen mit, wo man das Vieh mit zeichnet, denn hier kostet jeder Buchstabe einen Dollar. Ich sollte Euch schreiben wegen einer Grützemühle. Die ist zu lästig zu transportieren. Das Maiskorn macht sich ein Jeder selbst. Unsere Maiskornmühle kostet uns 9 Dollar. Der Buschel Mais kostet einen halben Dollar, welches nach deutschem Maaß einen Scheffel beträgt. Eine Kuh und Kalb kostet 10-12 Dollar, eine Sau und 8 Fickeln kostet acht Dollar. Pferde haben deutsche Preise. Ein Huhn 12 Groschen oder 2 Bitt, 6 Eier – einen Bitt.
Liebe Eltern, hier muß ich schließen. Wenn Ihr kommt, und seid in Indian-Point angelandet, so machet Euch doch gleich Eurer 1 oder 2 auf die Reise nach uns zu, so werde ich dafür sorgen, daß Ihr Eure Sachen herauf kriegt. – Wir wohnen an einem kleinen Flusse, der heißt Kolet [Coleto Creek ], das sind 4 Tagereisen von Indian-Point. Ihr müßt Eure Reise machen von Indian-Point nach Victoria, das sind 2 Tagereisen. Von Victoria macht ihr links über die Fähre. Hier fließt die Guadalupe vorbei, ein kleiner Strom. An diesem Flusse macht Ihr eine gute Tagereise herauf. An diesem Wege habt Ihr öfters Farmers. Da könnt Ihr fragen nach dem rechten Wege, der nach dem Farmer York führt. Das ist der Farmer, der uns das Land geschenkt hat, heißt Kapitain York. Von Da habt Ihr noch 4 Stunden, die werden Euch wol zurecht weisen, wenn Ihr nur fragt nach dem rechten Wege nach den deutschen Farmern am Kolet. – Lieber Bruder Gottlieb, schreibe doch einen Brief an Gottlieb Hörmann in Herkendorf. Sein Bruder aus Texas ließe ihn und alle seine Averwandten vielmals grüßen, und es ginge ihm hier recht wohl. Er hat hier 50 Morgen gutes Land, 2 Pferde und einen Wagen, 6 Kühe, 6 Kälber, acht Hühner, eine Sau mit 5 Jungen. Nun möchte er seinen Bruder mit seiner Mutter bei sich zu haben. Wenns möglich wäre, so sollt Ihr Euch zusammen auf die Reise machen. Er sollte, wenns möglich wäre, einen Pflug mitbringen. Verseht Euch bitte mit Grabeschuten und Kartoffelnharken, weil hier jedes Stück einen Dollar kostet. Wenn Ihr denn kommt, so bezahlt in Bremen nicht mehr wie die Schiffsüberfahrt. Der Landtransport kostet Euch nur 100 … [?] 1 ½ Dollar, von Ingenpein [Indian-Point] bis an unsern Koletfluß. Liebe Angehörigen, wir müssen in Wahrheit schreiben, es gefällt uns hier sehr gut. Ackerbau und Viehzucht ist hier der Hauptgewinn. Schädliche Thiere gibt es hier eben nicht. Es gibt hier Schlangen von 5 bis 6 Fuß, aber sie schaden keinem. Es gibt hier auch Wölfe, die sind gerade gestaltet wie ein Hund, welche scheu sind vor dem Menschen, und unserm Vieh nicht schaden. Einer Familie, sie sich hier kann 12 Acker Land und eine oder zwei Kühe kaufen, der wollte ich verdenken, daß die in Deutschland blieben. Herren-Ausgaben hat man hier keine. Die Sommerhitze ist erträglich. Die Kälte im Winter ist unbedeutend. Schnee gibt es hier nicht. In der Morgenzeit kann man einmal eine Kleinigkeit frieren. Wenn die Sonne aufgeht, so ist das gleich wieder fort. Weitere Neuigkeiten weiß ich Euch nicht zu schreiben. Wir wollen Euch eine glückliche Reise wünschen. – Lebt wohl bis aufs Wiedersehen. Dies wünsche Euch Eure Kinder
Friedrich Hausmann und Charlotte geb. Dreier

Friedrich Conrad Hausmann
* 1819 (v) Bösingfeld (?)
Herkunft: Bösingfeld Nr. 81
Lebensphasen:
23.10.1845 Antrag, Lippe
1847 Auswanderung in die, USA
1847 Einreisehafen, Texas, Schiff: Creole
1880 Volkszählung USA, Precinct 1, De Witt (Texas)

Home