Lippische Rose

 Auswanderung Lippe-USA 

Naturwissenschaftlicher und Historischer Verein für das Land Lippe e.V.

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Menschen vom lippischen Boden
Pastor August E. Hamman aus Lemgo
Geschätzter Seelsorger unter den lippischen Auswanderern in Nordamerika

In Elkart Lake/Wisconsin USA lebt als emeritierter Pastor inmitten der Nachkommen der ersten lippischen Auswanderer, die sich hier in Wisconsin in der Mitte des vorigen Jahrhunderts niederließen und unter Mühen und Entbehrungen eine blühende Ansiedlung gründeten, August Hammann.

Er wurde am 30.Januar 1865 als Sohn des Webers Ernst Hammann in Lemgo geboren. Seine Mutter, Friederike geb. Arning, war eines Stellmachers Tochter. Nach dem frühen Tode des Vaters vermählte sie sich dem Nachbarn, Zeugmacher Fritz Albeke, dem sie zwei Kinder, Fritz und Marie Albeke schenkte. Alle im Hause mussten im Handwerk und in der nicht unbeträchtlichen Landwirtschaft helfen.

August Hammann besuchte die Lemgoer Bürgerschule, in der er nacheinander bei den Lehrern Husemann, Winter und Stock Unterricht erhielt. In der Oberklasse musste er einmal bei einer Revision durch den Oberschulrat Thelemann ein Gedicht, Rheintals Ritterburgen, deklamieren: „An unserem alten Vater Rhein stand manche Ritterfeste“ usw. Das trug ihm das Lob des Revisors ein: „Das war eine sehr gute Leistung!“

Als im Sommer 1875 das Hermannsdenkmal eingeweiht wurde, durfte er an den Feierlichkeiten nicht teilnehmen, weil er noch zu jung wäre, konnte dann aber als Ersatz dafür Sommerbirnen pflücken und dabei den Donner der Kanonen hören, mit dem der alte Kaiser Wilhelm bei seiner Ankunft begrüßt wurde.

Nach seiner Konfirmation Ostern 1879 kam August Hammann zu einem Freunde des Vaters, der in Lage Sattler war, in die Lehre. Nach deren Beendigung arbeitete er bei dem Sattlermeistern Wilhelm Scheidt in Lemgo und Wüstenhöfer in Detmold. Im Detmolder Jünglingsverein lernte er den „genialen Postmann“ Fuß kennen und schätzen. Seine nächsten Arbeitsplätze waren Herrenhausen bei Hannover und Königslutter bei Braunschweig.

Herbst 1886 wurde er zur Feldartillerie nach Minden eingezogen. Der Dienst fiel ihm leicht und Weihnachten im zweiten Jahr wurde er Gefreiter und Batteriesattler. Im Sommer gings zur Schießübung nach Wesel, und das Kaisermanöver führte die Batterie auch nach Lemgo, wo er bei seinen Eltern Quartier beziehen konnte.

Nach der Militärzeit arbeitete er zunächst in der Wagenfabrik von Pohl in Lemgo und ging dann auf die Wanderschaft. Er kam über Hannover, Bremen, Hamburg nach Berlin. Seine freie Zeit gehörte auch da den Jünglingsvereinssache. Er half in der Sonntagsschule, bei Wohnungswechsel, in Einladungskommissionen, auch bei Versammlungen im Grunewald.

In Berlin hörte er die großen christlichen Redner und Prediger, den Generalsekretär Keller von Genf, den Freund der Gefangenen in Sibirien, Müller von London, der sie jeden Sommer besuchte, und unsere eigenen, wie Graf Bernstorf, von Rothkirch, Frommel, Kögel und Stöcker. Frommel rief einmal in einer Rede: „Ihr jungen Leute kommt und helft uns, wir allein können es nicht mehr schaffen!“ Das drang unserm Hammann tief ins Herz.

Mit anderen Freunden fasste er den Entschluß, sich als Missionar der Heidenmission zu widmen. In jener Zeit erschienen im „Westdeutschen Jünglingsboten“ Aufrufe aus Cleveland in Ohio USA, in denen deutsche junge Männer aufgefordert wurden, sich in Amerika zu Predigern ausbilden zu lassen und dann die deutschen Ansiedler kirchlich zu betreuen. In Landsberg an der Warthe hatte Hammann Pastor Krücke, den Sohn des Pastors Wilhelm Krücke in Langenholzhausen (1835 bis 1857), aus dessen Gemeinde 1847 die ersten Auswanderer nach Wisconsin gekommen waren, kennengelernt, und dieser, ebenso wie Pastor Theopold in Lemgo und der Bruder Fritz Albeke veranlassten ihn, jenem Rufe aus Ohio zu folgen.

Am 1.Februar 1893 kam er nach sechzehntägiger Fahrt in New York an. Durch die Schneefelder Kanadas ging die Reise weiter über Buffalo, Detroit, Chikago, Milwaukee nach Sheboyen in Wisconsin und von dort zehn Meilen mit dem Postschlitten nach dem sog. Missionshause, dem Predigerseminar bei Franklin.

Bei der Begrüßung sagte der Leiter der Anstalt, Inspektor Pastor Mühlmeier: „Wissen sie auch, dass sie hier in eine Lippersiedlung gekommen sind?“ Ich selbst bin auch Lipper, ich bin gebürtig aus der Kirchengemeinde Cappel bei Blomberg.“

Hier im Town (Bezirk) Hermann hatten sich die ersten Ansiedler – sie stammten fast alle aus dem lippischen Norden – mitten im Urwalde, zehn Meilen vom Michigan Lake und Sheboyen, niedergelassen. Das Los dieser ersten Siedler war schwer. Eine ungeheure Arbeitslast musste ertragen werden. Den zähen Lippern aber gelang es mit den Jahren, den Wald urbar zu machen und fruchtbare Äcker anzulegen. In den nahen Fluß bauten sie 1854 ein Stauwerk und richteten für ihren Müller Arpke eine Sägemühle und bald auch eine Mahlmühle ein.

Über die Schwierigkeiten, mit denen sie zu kämpfen hatten, berichtete ausführlich Jerome C. Arpke, der Sohn von C. F. Arpke, Enkel der Witwe Marie Arpke, die mit ihren vier Kindern 1847 von Langenholzhausen nach Wisconsin auswanderte. Sein im Mai 1895 geschriebenes, sehr lesenswerte Büchlein: „Das Lippe-Detmolder Settlement in Wisconsin“ wird im Buchhandel nicht mehr zu haben, wahrscheinlich aber in der Landesbibliothek in Detmold zu leihen sein.

Die meisten dieser Lipper hatten daheim zu den „Stillen im Lande“ gehört, die von der Erweckungsbewegung ergriffen worden waren. In der neuen Heimat entbehrten sie schmerzlich die Predigt des göttlichen Wortes, den Trost der Kirche und der heiligen Sakramente, wie den Zuspruch des Predigers und Seelsorgers.

Die ersten Pastoren kamen aus dem Osten. Junge Leute, wie H. Aug. Winter, Dr. Mühlmeier und Lienkemeier hatten in Mercersburg Ohio studiert und sammelten die ersten Gemeinden. Winter gründete dreizehn Gemeinden allein in Wisconsin. Da aber die wenigen vorhandenen Predigerseminare bei weitem nicht ausreichten, so wusste man sich anfangs nicht anders zu helfen, als dass die Pfarrer junge Leute in ihre Häuser und Familien nahmen und sie nach Art der Handwerkslehre zu Pastoren ausbildeten; auf diese Weise wurde z. B. P. Helmig unterwiesen.

P. Winter wies in Wort und Schrift auf die Mängel dieser Ausbildung hin; er forderte die Gründung von Predigerseminaren und erreichte endlich durch anhaltendes Bitten und Drängen, dass die Sheboyen-Klassis 1861 beschloß, in ihrem Bezirk eine solche Studienanstalt einzurichten. Die lippischen Farmer Reineking und Steffen gaben das Land dazu her, und in kurzer Zeit wurden 1000 Dollar dafür gesammelt. Der Bau des ersten Hauses wurde dem Zimmermeister Friedrich Stölting übertragen. Es wurde, wie die Wetterfahne verkündet, im Jahre 1862 bezugsfertig. Die übrigen Häuser sind seit 1862 hinzugekommen.

Vom Inspektor der Anstalt, Pastor Mühlmeier, wurde dem nun 28jährigen Hammann ein Zimmer angewiesen, das er mit einem Schulmeister aus Ohio und einem jungen Manne, Namens Hilgemann, teilen musste. Daß ihm bei seinem Alter die wissenschaftliche Arbeit nicht gerade leicht gefallen ist, kann man sich denken; aber mit Fleiß und Ausdauer hat er sein Ziel erreicht und die oft ungünstigen äußeren Verhältnisse überwunden. Doch hören wir, was er selbst darüber sagt:

„Es ging in den 60er und 70er Jahren im „Missionshause“ manchmal knapp her, da die ganze Unterhaltung aus wohltätigen Gaben bestritten werden musste. Aber , als das Mehl im Gad einmal alle geworden war, stand am anderen Morgen ein Sack Mehl an die Haustür gelehnt und fiel beim Öffnen der Tür auf den Flur. So sind wir wieder einmal über die Not hinweggekommen.“

„Sonntags nach der Predigt in der Immanuelskirche wurden wir oft von den Farmern mit in ihre Familien genommen. Sie hörten uns gern von der Heimat erzählen. Einmal ging ich mit dem Vater Knöner und zeigte auf ein Feld mit vielen Diesteln. Da sagte er: „Seht nicht geschrieben: Dornen und Diesteln soll sie die tragen?“ – Seine Tochter wies er an, fleißiger in der Bibel zu lesen und dafür weniger zu putzen und zu fegen – Der alte Farmer Heinrich Bödeker gab mir zum Abschiede eine 20 Dollar Bill fürs Missionshaus mit.“

„In den drei Monate dauernden Sommerferien konnten wir auf den Farmen arbeiten und für uns etwas Geld verdienen. Die ersten drei Monate arbeitete ich bei Hermann und August Schäferkord. Deren alte Mutter hatte bei Sup. Rodewald in Brake gedient und tröstete die Studenten, wenn sie die Befürchtung aussprachen, in den Ferien zu viel zu verlernen, indem sie sagte, im Kopfe brauchte man gar nicht so viel zu haben, Professoren und Pastoren können alles aus Büchern lesen – Im dritten Monat besuchte ich die Weltausstellung in Chikago. Was mir gleich gefiel, war die deutsche Schrift über dem Eingange. Chikago war damals noch ganz deutsch. Die deutsche Abteilung war bei weitem die schönste und beste. Ein auffallendes Kunstwerk war die Germania in übergroßer Darstellung, auf einem Pferde reitend, nach Bismarcks Wort: Man setze Deutschland nur in den Sattel, reiten wird es schon können!“

„Im zweiten Jahre forderten uns beim Schlußfeste die Stuckmanns auf, bei ihnen auf der Farm zu helfen. Sie wohnten nur zwei Meilen von uns nach Süden, und wir gingen mit. In der Familie hatten zwei Brüder zwei Schwestern Fasse und eine Schwester einen der Brüder Fasse geheiratet. Wir fuhren den Sommer 65 große Fuder Kleeheu in zwei Scheunen ein.“

Bruder und Schwester aus Nordlippe
„In den folgenden Jahren blieben wir die Ferien über in der Schule und halfen dem Hausvater Otto Mühlmeier, dem Sohne Pastor Mühlmeiers, bei seiner Arbeit. In einer Lippergemeinde auf der Klassissitzung in Green/Nordwisc. Wurden wir examiniert und lizensiert und bekamen Aussicht auf eine Gemeinde dort. Aber ein alter Pastor, Namens Zenk, ein gebürtiger Mecklenburger, sagte mir: Gehen Sie nach Westen und bauen sich dort eine Gemeinde auf! Seine Frau kam aus der Familie Mesch, die hier in Kiel eine Fabrik zur Herstellung von Holzkisten für den Käseversand hatte.“ (Im Jahre 1866 war der Müllergeselle Adolf Mesch mit seiner Schwester Karoline aus der Hohenhauser Mühle nach Amerika ausgewandert. Ein Nachkomme des Pastors Zenk und seiner Frau, geb. Mesch, lebt heute in Eureka/Dakota).

Hammann befolgte den Rat des Pastors Zenk und machte sich auf den Weg nach Jowa. Er kam nach Garner und Chrystel Lake und bekam ein Zimmer im Hause des Pastors Stark, der eine Farm dort hatte. Ein Lipper H. Opfer, 1851 aus Langenholzhausen gekommen, war dort Landagent. Hammann predigte im Schulhause als Missionar, bis ein anderer Pastor kam, der ebenfalls eine Farm erworben hatte und nun glaubte, neben seiner Farmarbeit der Gemeinde als Seelsorger dienen zu können.

Im folgenden Jahre (1900) wurde Hammann ordiniert und erhielt einen Ruf an ein Settlement (eine Ansiedlung) von Schweitzern in Praerie Du Sac/Wisc. (1900 bis 1903). Weil die Entfernungen sehr groß waren, hatte er Pferd und Wagen nötig. Jetzt war er auch in der Lage, eine Familie zu gründen. Er vermählte sich mit Anna Graß, der Tochter von Florian Graß und deren Ehefrau, die in Denze/Wisc. Wohnten und Glieder der oben genannten Schweitzer Gemeinde waren.

Von den Schweitzern kam er zu Deutsch-Russen in Sutton/Nebrasca (1903 bis 1905) und dann zu einer Missionsgemeinde in Port Hope/Wisc.

Dann erreichte ihn ein Ruf einer Gemeinde von Lippern bei Norfolk in Nebraska. Da die Gemeinde keine Schulden hatte und auch sonst alles dort in schönster Ordnung war, nahm er an.

1922 erhielt Hammann eine Anfrage von Plymonth/Wisc., ob er nicht Lust habe, dorthin zu kommen. Er entschloß sich, in den beiden Gemeinden Zoar und Elklake Probepredigten zu halten. Er wurde gewählt und nahm an, obgleich es ihm nicht leicht wurde, sich von den guten Leuten in Norfolk zu trennen. Aber die Mutter war von Wisconsin, und die Kinder würden in bessere Schulen gehen können, auch nicht mehr so weite Schulwege haben. Die Töchter Anna und Frieda blieben bis zum Schluß des Schuljahres in Norfolk in der Familie Puls.

Noch einmal übernahm Hammann eine andere Gemeinde, diesmal in Schleswig, auf dem Lande. Seine Familie war mit der Umsiedlung gern einverstanden, weil er dort nur eine Gemeinde zu versorgen hatte (1928 bis 1944).
Im Alter von fast 80 Jahren trat er in den Ruhestand, zog wieder nach Elkhart Lake, wo er mit seiner Frau ein eigenes Haus bewohnte. In körperlicher und geistiger Frische kann er auf ein reichgesegnetes Leben zurückblicken. Bis vor nicht gar langer Zeit hat er noch selbst das Auto gelenkt und betätigt sich noch jetzt im Garten und als eifriger Bienenvater. Seine Freude ist, dass er seine Kinder in der Nähe hat. Sein Sohn August Hammann ist Besitzer einer Fordgarage in Elkhart-Lake und seine vier Töchter sind alle verheiratet.

Seine alte deutsche Heimat widerzusehen, ist ihm nicht vergönnt gewesen; aber er gedenkt ihrer mit liebevoller Anhänglichkeit und nimmt innigen Anteil an ihrem Ergehen und im besonderen an dem seiner Vaterstadt Lemgo, wo noch Verwandte von ihm wohnen.
Fr. Sauerländer, Rektor i.R.

Abschrift aus: Lippische Blätter für Heimatkunde Nr. 5, 1957, Beilage der Lippischen Landes-Zeitung
Abgeschrieben von: Wolfgang Bechtel

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